Heute erkunden wir die Umgebung von Skoder. Wir verlassen unser Camp an der Buna und fahren nach Norden, zur Brücke von Mes. Doch zunächst müssen wir uns durch die Innenstadt von Skoder wühlen
und uns an die merkwürdigen Verkehrsgewohnheiten der Albaner gewöhnen. Dass in der zweiten Reihe geparkt wird, ist selbstverständlich - unverständlich nur häufig warum, denn in der ersten Reihe
ist Platz genug, man hätte eventuell fünf Meter weiter gehen müssen. Auch die Radfahrer haben ihr eigenes Repertoire entwickelt. Aus Münster ist man ja einiges gewöhnt, aber dass einem im
Kreisverkehr Radfahrer in Gegenrichtung auf der linken Seite begegnen, ist eine neue Erfahrung. Wir gewöhnen uns aber schnell ein und parken auch an einem kleinen Markt mal schnell in der zweiten
Reihe, um dort eben einzukaufen.
Die Brücke von Mes wurde
in der Osmanischen Zeit in der Mitte des 18. Jahrhunderts über den Kir gebaut und ist die älteste erhaltene Steinbogenbrücke aus dieser Zeit. Eine Besondertheit ist noch, dass sie nicht
gerade über den Fluss führt, sondern im Verlauf abknickt. Kein Schild weist auf dieses Kleinod der Brückenbaukunst hin. Wir erreichen die Brücke nur, weil wir uns die Geo-Daten besorgt
haben.
Danach geht die Tour wieder
Richtung Adria. Südlich von Skoder, beim kleinen Ort Velipoja, gibt es einen Küstenbereich, der durch die Ramsar-Konvention geschützt ist. Im Einmündungsbereich der Buna erstreckt sich ein
großes Sumpf- und Lagunengebiet, dass insbesondere für Watvögel und Amphibien ein Rückzugsgebiet darstellt. Unser Stellplatz ist direkt daneben, bei einem kleinen Restaurant. Im Moment
ist nicht viel zu sehen, die Zeit des Vogelzugs ist vorbei. Auch der Strandbereich enttäuscht - hier sind tausende von Strandliegen aufgebaut, die dem Tourismus ihren Tribut zollen. Neue
Hotelanlagen entstehen. Die Ruhe, die ein Vogelreservat braucht, ist wohl dahin.
Donnerstag, 14. Juni
Kenner von Karl Mays Reiseabenteuern verbinden mit dem Titel „Durch das Land der Skepitaren“ auch eine Vorstellung von Albaniens Bergwelt. Die wollen wir erkunden und starten deshalb zu einer
besonderen Tour - zunächst geht es mit dem Womo hinauf in die Berge. Dann wollen wir mit der Fähre entlang des Koman-Sees eine Region erkunden, die über Straßen nicht erreichbar ist. Der Womo-Führer
beschreibt die Straße hinauf zum See als unproblematisch, auch für Womos. Eben nur Bergstraßen mit vielen Serpentinen. Unser Dukato nimmt die Strecke denn auch bravourös, man kann eben nur nicht so
schnell fahren. Mit zunehmender Höhe verliert die Straße aber dann doch an Qualität, dafür werden wir durch den Anblick der wunderbaren Bergwelt entschädigt. Die Fahrt geht entlang des Drin-Sees, der
wie der Koman-See ein Stausee ist und zur Stromerzeugung genutzt wird. Unterwegs begegnen wir einer Eselsfamilie, aber auch einigen Fahrzeugen. Die Fähre geht morgen früh um neun Uhr, wir steuern
deshalb das Restaurant von Alberto an, der auch einen Platz für Camper reserviert hat. Er versorgt uns mit frisch gebackenen Forellen und einem Fährticket. Eine große Entenfamilie umrundet derweil
unser Womo und wartet auf Fütterung durch die Hausherrin.
Freitag, 15. Juni
Der Koman-See ist Teil einer Kaskade von Stauseen entlang des Drin, die Albanien mit Strom versorgen. Er ist vierunddreißig Kilometer lang und führt von Koman bis Fierze. Der See ist schmal. An der
breitesten Stelle vierhundert Meter und an den Engstellen, wo er sich durch das Bergmassiv der Albanischen Alpen schlängelt, gerade mal fünzig Meter breit. Die Felswände links und rechts ragen hier
hunderte von Metern hinauf. Wir sind früh aufgestanden, denn das Fährboot von Koman nach Fierze startet um neun. Um acht Uhr sollen wir da sein, hat uns Alberto, unser Gastgeber geraten, damit wir in
Ruhe auf die Fähre können. Zum Anleger, oben an der Staumauer, gelangt man durch einen engen und dunklen Tunnel. Auf dem Platz selbst ist wenig Manövrierraum, um das Womo rückwärts auf die Fähre zu
bugsieren. Mittlerweile tobt das pralle Leben an der Anlegestelle. Kleine Boote kommen und Menschen, Tiere und Material füllen die wendigen Außenborder. Der See hat neben der Versorgung mit Strom
auch noch die Funktion einer Verkehrsverbindung zur Region rund um Fierze. Auch die Gehöfte längs des Sees werden über die Boote versorgt - Straßen gibt es hier nicht. Von Fierze aus schlagen wir auf
guter Straße einen großen Bogen durch eine weitläufige Gebirgslandschaft entlang der Grenze zum Kosovo. Ab Kukës geht es dann auf der Autobahn wieder Richtung Meer. Am Strand von Tala finden wir
einen Platz bei einem kleinen Restaurant.
Samstag, 16. Juni
Heute verbringen wir den Tag auf dem Stellplatz am Strand von Tala. Über fünf Kilometer erstreckt sich der feine, dunkle Sand entlang der adriatischen Küste. In Teilen wird das Gebiet touristisch
genutzt - nach unserer Beobachtung geht man hier professioneller mit den Risiken touristischer Massennutzung um, als wir das in Velipoja gesehen haben. Der Tourismus steht hier in Albanien erst am
Anfang und wird sicher auch einmal ein wichtiger Wirtschaftszweig in diesem strukturschwachen Land. Um so nötiger scheint es zu sein, auch die richtigen Schritte für eine nachhaltige Entwicklung zu
gehen. Im Küstenbereich entdecken wir die obskuren Überreste des alten Regimes. Enver Hodscha, der sich ja in den letzten Jahrzehnten seiner Machtausübung von allen Ländern der Welt distanziert
hatte, muss wohl eine paranoische Angst vor einem Überfall auf sein kleines, armes Land gehabt haben. Überall im Land stehen Betonbunker, die Albaniens Bevölkerung vor einem potenziellen Aggressor
schützen sollten. Ein paar dieser Exemplare stehen vor unserer Womo-Tür.
Sonntag, 17. Juni
Diesen Ort werden sich die griechischen Kolonisten vor gut zweieinhalbtausend Jahren mit Bedacht ausgewählt haben: Hoch oben auf einem Hügel von dem aus sich die umgebende Ebene bis zum Meer
überblicken lässt, ein Fluss, der ins Meer mündet und so den Transport von Mensch und Material sicherstellt, und letztendlich immer ein frisches Lüftchen vom Meer selbst bei großer Hitze. Die Rede
ist von Apollonia, der Stadt, die dem Gott Apoll geweiht war und hier im damaligen Illyrien eine wichtige Rolle spielte. Wir erreichen dieses Zeugnis griechischer Siedlungstätigkeit auf dem Balkan
zügig über die Autobahn in der Nähe der Stadt Fier. Es ist Mittagszeit und die Sonne gibt ihr bestes. Doch hier oben auf der Akropolis weht ein frischer Wind. Im archäologischen Park integriert ist
ein Kloster aus dem 9. Jahrhundert, das der Maria geweiht ist. Es wurde auf den Ruinen der antiken Stadt errichtet und besitzt eine große Sammlung antiker Fundstücke. Den Spätnachmittag und die Nacht
verbringen wir am Strand ganz in der Nähe.
Montag, 18. Juni
Das byzantinische Kloster Zvernec liegt
auf einer kleinen Insel nördlich von Vlores. Dieses Kleinod mittelalterlicher Baukunst ist über einen langen Steg mit dem Festland verbunden und so nur für Fußgänger erreichbar. Erbaut im
dreizehnten Jahrhundert hat es die Zeiten überdauert und liegt malerisch auf der kleinen Insel, die von kleinwüchsigen Pinien bestanden ist und mit dem umgebenden Meer einen schönen Kontrast bildet.
Von unserem Stellplatz am Meer ist es nur ein kurzes Stück Fahrstrecke, aber die hat es in sich. Die Straßen abseits der Hauptrouten sind in Albanien immer für eine Überraschung gut und nach
holpriger Schlaglochfahrt parken wir endlich am Steg. Unsere Erwartungen werden nicht enttäuscht. Sowohl innen als auch außen präsentiert sich uns ein Schmuckstück byzantinischer Kirchenbaukunst.
Leider wollen die Verantwortlichen die Oberhoheit über die Bilder behalten - es herrscht striktes Fotografierverbot. Ein Bild habe ich trotzdem noch machen können - danach verfolgt uns der Wächter
mit wachem Auge. Auf dem Rückweg zum Womo spricht uns ein junges Mädchen an. Diana hat deutsch in der Schule gelernt, ihr Vater arbeitet in einer Pizzeria in Hannover und sie wünscht sich, in
Deutschland zu studieren. Wir geben ihr unsere Adresse - sie will nach Münster kommen, um sich über die Studienbedingungen zu informieren. Jetzt geht es weiter zur Rivieraküste und wir müssen dazu
den Llogara-Pass überwinden. Kein ganz leichtes Unterfangen, denn die zehn Kilometer lange Strecke besteht aus unzähligen engen Kurven bei einer durchschnittlichen Steigung von zehn Prozent. Zudem
hat sich ein Gewitter aufgebaut und es schüttet wie aus Kübeln. Oben angekommen reißt der Himmel auf und wir kaufen uns zur Belohnung ein Glas Honig aus dem Llogara-Naturpark. In Himara an der Küste
nehmen wir Quartier im Camp Kranea.