Dienstag, 7. Juni

Heute starten wir zu unserer Frühsommer - Tour. Wir werden die Region zwischen Norsee und Ostsee erkunden. Erste Station ist Pelzerhaken in der Lübecker Bucht. Dann soll es bis nach Dänemark hinaufgehen.
Heute starten wir zu unserer Frühsommer - Tour. Wir werden die Region zwischen Norsee und Ostsee erkunden. Erste Station ist Pelzerhaken in der Lübecker Bucht. Dann soll es bis nach Dänemark hinaufgehen.

Mittwoch, 8. Juni

Der Wohnmobilstellplatz in Pelzerhaken ist wohlorganisiert. Bevor wir die Einlasskarte aus dem Automaten erhalten, müssen wir ein anderthalbseitiges Merkblatt studieren, auf dem alle Besonderheiten und Reglements aufgelistet sind. Ganz so dramatisch wird’s nicht, aber es ist doch auch typisch deutsch. Wir nehmen es mit Gelassenheit. Der Brötchenservice klappt ausgezeichnet - pünktlich um halb acht liegen die vorbestellten Backwaren eingetütet und beschriftet im Kiosk für uns parat. Wir radeln heute die Küste entlang und haben bei wunderschönem Wetter herrliche Ausblicke auf die Ostsee. Unterwegs treffen wir auf einen Friedwald, in dem man seine Asche anonym bestatten lassen kann. Ein Gedenkort bietet die Möglichkeit zu verweilen. Sicherlich eine interessante Alternative zu herkömmlichen Bestattungsformen.
Fish & Chips runden diese Radtour perfekt ab. Nur Annemaries Sattel bereitet Probleme. Ein Teil der Verstrebung ist gebrochen, doch ein freundlicher Mechaniker in Neustadt ist schnell bei derHand und montiert innerhalb einer halben Stunde eine neue Sitzgelegenheit. Den Spätnachmittag genießen wir in der Sonne am Womo.
Start am Stellplatz
Start am Stellplatz
Strandzugang
Strandzugang
Volle Blüte
Volle Blüte
Steilküste
Steilküste

Donnerstag, 9. Juni

Fährt man den Radweg zwischen Pelzerhaken und Neustadt entlang, kommt man an einem Friedhof mit Ehrenmal vorbei. Die Radfahrer werden gebeten abzusteigen, um die Würde des Ortes zu gewährleisten. Friedhof und Ehrenmal erinnern an eine Begebenheit aus den Endtagen des Nazi-Regimes, wie sie schrecklicher nicht sein kann. Auf dem Friedhof sind ungefähr siebentausend ehemalige Insassen von Konzentrationslagern bestattet. Wie sie hierher gelangt sind, ist ein Thema deutscher Geschichte, das im historischen Bewusstsein der Bundesrepublik kaum verankert ist. In den letzten Kriegstagen im April/Mai 1945 wurden auf Anordnung Himmlers alle Konzentrationslager evakuiert und die Insassen mit Wachmannschaften auf sogenannte Todesmärsche geschickt. Sammlungspunkt dieser Märsche war unter anderen die Stadt Neustadt. Vor deren Küste, in der Lübecker Bucht, lagen vier manövrierunfähige Schiffe, die bislang zur Unterstützung der Wehrmacht gedient hatten. Auf diese Schiffe wurden die Häftlinge der Todesmärsche eingepfercht, sie waren völlig überfüllt. Am 3. Mai 1945, also fünf Tage vor Kriegsende, wurden diese vermeintlich feindlichen Schiffen von Einheiten britischer Kampfflugzeuge bombardiert und versenkt. Die meisten der Häftlinge fanden den Tod, die Leichen wurden in Pelzerhaken an den Strand gespült und dort dann auch bestattet. Seit 1947 gibt es das Ehrenmal, in der Stadt Neustadt informiert eine kleine Abteilung im örtlichen Museum über diese Katastrophe. Eine bessere Information erhält man auf Wikipedia unter Cap Arcona, dem Namen eines der versenkten Schiffe. 
Der Gedenkort, hier an der Ostseeküste, geht uns nahe. 
Friedhof Pelzerhaken
Friedhof Pelzerhaken
Ehrenmal
Ehrenmal
Stadtmuseum Kremper Tor
Stadtmuseum Kremper Tor
Die Cap Arcona, ein ehemaliger Luxusdampfer.
Die Cap Arcona, ein ehemaliger Luxusdampfer.

Sonntag, 12. Juli

Eigentlich wollten wir heute schon weiterfahren, doch der Morgen ist so strahlend blau und auch die Sonne gibt ihr Bestes, so dass wir beschließen, noch einen Tag länger zu bleiben. Wir nutzen die Zeit für eine ausgedehnte Radtour durch die Umgebung. Es ist eine wunderschöne Landschaft, wellige, grüne Hügel vor dem Hintergrund der (bei Sonnenschein) blauen Ostsee mit den hellweißen Dreiecken derSegelboote. An einem riesigen Gutshof machen wir halt und bewundern die alten Fachwerkgebäude. Ein altes Schild verweist darauf, dass der Gutsbezirk gleich dem Amtsbezirk ist. Bis zum Ende des ersten Weltkriegs galt in Preußen noch die alte Verfassung, in der dem Gutsbesitzer die obrigkeitliche Gewalt über Gebiet und Bewohner übertragen war. Allein die Größe der Scheunen machen deutlich, dass dieses Gut nicht mit einem münsterländischen Pendant verglichen werden kann. In einem Gasthof kehren wir ein, doch die bestellten Schollen treffen nicht unsere Erwartungen. Leider trocken gebraten. Wir verzichten auf längere Diskussionen mit dem Wirt und machen uns auf den Heimweg. Auch das Wetter schwächelt: Es ziehen dunkle Wolken auf, die aber nicht umsetzen, was sie androhen. Es bleibt weitestgehend trocken. 
Holsteinischer Gutshof
Holsteinischer Gutshof
Stallungen
Stallungen
Bauernhof
Bauernhof

Montag, 13. Juni

Der Hafenmeister in der Marina von Schleswig überlegt nicht lange, als wir ihn fragen, ob er noch einen Platz für uns hat. „Hier neben dem Kran könnt ihr stehen, falls morgen jemand sein Boot zu Wasser lassen will, müsst ihr dann Platz machen.“ Wir rangieren ein und haben einen schönen Blick über die Marina auf die Schlei. Nach unserem Abschied von Pelzerhaken haben wir unterwegs noch Station in Kiel gemacht. Am Ostseekai, im Schatten eines riesigen Kreuzschiffes aus Schweden, parken wir nahe am Rande der Altstadt. Einige Schauer verhindern eine intensive Begehung, so bleibt es bei einer Stippvisite. In Schleswig empfängt uns dann Sonnenschein und ein aufgeräumter Hafenmeister.
Stellplatz in der Marina
Stellplatz in der Marina
Dito
Dito

Dienstag, 14. Juni

Schon von weitem sieht man den schlanken, gotischen Turm von St. Petri in Schleswig. Über hundert Meter hoch ragt er in die Landschaft. Im 12. Jahrhundert noch mit romanischem Portal versehen, wurde er Ende des 13. Jahrhunderts als gotische Hallenkirche fertiggestellt. Unterschiedlich farbige und glasierte Backsteine prägen das Bild von außen und innen. Herausragend ist wohl der Bordesholmer Altar aus dem 17. Jahrhundert mit seinen fast 400 aus Eiche geschnitzten Figuren. Mit dem Fahrrad fahren wir die Schlei entlang und lassen die Stadt auf uns wirken. In direkter Nähe zum Dom liegt der Marktplatz mit Rathaus und der Alten Hofapotheke. Besonders angetan hat uns Holm, das Viertel der Fischer mit seinen kleinen Häuschen, die sich rund um den Friedhof mit seiner kleinen Kirche gruppieren. Das Johannis-Kloster mit seinem Bibelgarten zeigt Pflanzen und Kräuter mit biblischen Bezügen.
Dom St. Petri in der Altstadt
Dom St. Petri in der Altstadt
Romanisches Portal
Romanisches Portal
Innenraum
Innenraum
Im Fischerviertel Holm
Im Fischerviertel Holm
Altstadtgasse
Altstadtgasse
Alte Apotheke
Alte Apotheke

Mittwoch, 15. Juni

Gegenüber von Schleswig, auf der anderen Seite der Schlei, liegt das mittelalterliche Haithabu, eine frühstädtische Siedlung, die durch ihre Größe und Bebauungsdichte aus dem Rahmen mittelalterlicher ländlicher Siedlungen fällt. Durch die Lage zwischen Nord- und Ostsee, entstand hier ein Warenumtauschplatz, der den Norden mit dem Osten und dem Süden verband. Das Leben der Menschen wird im Museum anschaulich dokumentiert, exemplarisch wurden am historischen Ort einige der Häuser rekonstruiert. Haithabu besitzt Weltkulturerbestatus. Wir radeln am Ufer der Schlei entlang und sind nach einer guten Viertelstunde am Museum. Die Artefakte sind sorgfältig ausgewählt und anschaulich präsentiert, so dass man einen ausführlichen Einblick in das Leben der Menschen erhält. Prunkstück der Sammlung ist das Königsschiff, das man nach über tausend Jahren wieder ausgraben und rekonstruieren konnte. Im Museumsdorf, ganz in der Nähe, geben die rekonstruierten Häuser einen anschaulichen Eindruck in das Lebens der Menschen.
Haithabu, am Ufer der Schlei
Haithabu, am Ufer der Schlei
Museumsdorf
Museumsdorf
Blick in einen Wohnraum
Blick in einen Wohnraum
Stellmacherwerkstatt
Stellmacherwerkstatt
Beim Schuhmacher
Beim Schuhmacher
Rekonstruiertes Königsschiff
Rekonstruiertes Königsschiff

Donnerstag, 16. Juni

Von Schleswig bis Flensburg sind es gerade mal sechzig Kilometer, doch schon eröffnet sich uns wieder ein neuer Blick. Aus dem dichten Wald einer Endmoräne kommend, wird für uns die Sicht frei auf die Flensburger Förde. Jenseits des Wassers erstreckt sich die Altstadt von Flensburg, an den Kais liegen Schiffe, Ausflugsboote tuckern die Förde entlang. Direkt am Hafen finden wir einen Parkplatz und können uns gleich zu Fuß in das Hafengeschehen begeben. Eine Bude mit Fischbrötchen erregt gleich Annemaries Aufmerksamkeit. Bismarckhering mit Zwiebeln  ist ihre Wahl. Am Kai gibt es ein Schiffsmuseum, das von Ehrenamtlichen betrieben wird. Sie halten die in die Jahre gekommenen Schiffe instand und bringen sie auf Hochglanz. Die Innenstadt von Flensburg gibt sich jung und lebhaft. Uns fällt auf, dass die großen Filialisten hier fehlen, es dafür aber viele kleine Geschäfte mit eigenen Angeboten gibt. Am Abend fahren wir dann nach Hejsager Strand in Dänemark, wo wir vor über vierzig Jahren zum ersten Mal mit unseren Kindern in einem Ferienhaus Urlaub gemacht haben.
Blick auf die Flensburger Förde
Blick auf die Flensburger Förde
Fischbrötchen zum 2. Frühstück
Fischbrötchen zum 2. Frühstück
Yachten am Kai
Yachten am Kai
Schiffsmuseum
Schiffsmuseum

Freitag, 17. Juni

Es war noch lange hell, gestern Abend. Je weiter wir nach Norden kommen, desto länger wird der Tag. Erst um halb elf Uhr dämmert es. Dafür steht die Sonne heute Morgen wieder recht früh am Himmel. Nach dem Frühstück nutzen wir das schöne Wetter zu einer ausgedehnten Wanderung entlang dem Naturstrand. An der Steilküste gibt es immer wieder große Abbrüche, die alles mit sich reißen, auch die Bäume haben da keine Chance. Hier in Hejsager Strand hat sich in den letzten vierzig Jahren nicht ganz so viel getan, wie andernorts. Sicherlich sind die ganz kleinen Ferienhäuser durch größere, komfortablere ersetzt worden, aber wir erkennen überall noch die strukturellen Gegebenheiten wieder. Das Haus unserer Münsteraner Freunde, die uns damals das Ferienhäuschen vermittelt haben, steht auch noch; allerdings nagt hier der Zahn der Zeit sehr heftig…
Abendrot über Hejsager Strand
Abendrot über Hejsager Strand
Am Strand
Am Strand
Neue Ferienhauser an der Steilküste
Neue Ferienhauser an der Steilküste
Steilküste mit Abbrüchen
Steilküste mit Abbrüchen

Samstag, 18. Juni

Heute Morgen empfängt uns wieder strahlend blauer Himmel und Sonnenschein. Allerdings weht ein kräftiger Wind, der die dänischen Fahnen vor den Häusern waagrecht stehen lässt. Beim Frühstück bekommen wir Besuch von einem Vogel, den wir noch nie gesehen haben. Glücklicherweise haben wir immer unser Bestimmungsbuch dabei und nach einigem Suchen können wir ihn jetzt auch benennen: Es ist ein Bluthänfling, erkennbar an den roten Flecken auf Brust und Stirn.
Heute machen wir unsere Wanderung in entgegengesetzter Richtung wie gestern. Hier wird die Landschaft flacher, große Wiesen begleiten den Strand. Der Vogel des Jahres 2022, die Feldlerche, scheint hier um ihre diesjährige Prominenz zu wissen. Immer wieder einmal steigt einer dieser Sangeskünstler zu einem Singflug in die Luft. Auch der Austernfischer ist unterwegs. Er scheint in der Nähe sein Nest zu haben, er fliegt auf, als wir kommen, beobachtet uns und setzt dann dazu an, uns zu umkreisen. Anscheinend will er uns verscheuchen.
In die Ostsee trauen wir uns nicht. Das Wasser ist einfach zu kalt.
Bluthänfling
Bluthänfling
Wiesenlandschaft
Wiesenlandschaft
Austernfischer
Austernfischer
Temperaturtest
Temperaturtest