Heute regnet es. Fast den ganzen Tag. Erst am späteren Nachmittag hört der Regen auf und wir können am Ufer entlang gehen. Leider ist auch die Temperatur wieder etwas gesunken. Annemaries Erkältung klingt ab, ich bin jetzt weitgehend symptomfrei.
Das Frachtschiff kommt vorbei, das die Anrainer des Höwsgöl-Sees täglich mit Waren versorgt. Wir laufen durch den Wald zurück und trinken erst einmal einen heißen Tee.
Der Regen hat aufgehört, es wird wieder wärmer und wir befinden uns auf der Asphaltstraße zur Provinzstraße Mörön.
Wir nähern uns dem Punkt, bei dem der fünfzigste Breitengrad Nord den hundertsten Längengrad Ost schneidet. Und richtig: Schon von weitem sehen wir die Ziffern 50° 100° auf einem Höhenzug. Eine Asphaltstraße bringt uns zu einem Parkplatz an dem auch ein Souvenirshop seine Angebote anpreist. Eine Betontreppe führt sicher nach oben. Ein findiger reicher Unternehmer will hier sein Geschäft machen…
Am Hang zeigt eine überdachte Windrose die Himmelsrichtungen. Von hier hat man eine schöne Aussicht über die Region.
Es geht weiter: Wir suchen einen Ort, an dem sich eine Reihe besterhaltener Hirschsteine befindet. Die Aufnahme in die Weltkulturerbeliste ist bereits beantragt. Doch welch ein ein Kontrast zu 50° 100° - kein Schild, keine Straße, kein Parkplatz!
Wir fahren kreuz und quer durch die Steppe, fragen wandernde Hirten und Nomaden
vor ihrer Jurte bis wir endlich unser Ziel erreichen. Kultur ist kein Geschäft. Doch der Aufwand hat sich gelohnt. Wir finden eine Vielzahl von Artefakten und staunen über die Kunstfertigkeit der Menschen aus der Bronzezeit.
Mörön ist die Provinzhauptstadt. Wir besuchen einen sogenannten Schwarzmarkt, letztlich ist ein großer Markt, auf dem man alles kaufen kann. Ein findiger Geschäftsmann bietet auf einem riesigen Gelände Verkaufsplätze in Lagerhallen, alten Garagen, Containern und unter freiem Himmel an. Wer hier was kauft bekommt keine Quittung, die Waren sind allesamt preiswerter als im Supermarkt und daher ist der Markt sehr beliebt.
Ein Besuch im Provinzmuseum rundet unser Besuchsprogramm ab.
Es ist auch mal wieder ganz schön, den Komfort eines Hotels zu genießen. Frühstück gibt es vom Büffet, der Service klappt zwar nicht hundertprozentig, aber das Angebot ist schon anspruchsvoll. Heute fahren wir nur auf der Asphaltstraße von Mörön bis zum erloschenen Vulkankrater im Nationalpark Uran Togoo. Das Jurtencamp liegt in unmittelbarer Nähe und wir machen uns schon kurz nach der Ankunft auf den Weg, den Vulkan zu ersteigen.
Von oben aus hat man einen tiefen Blick in die mittlerweile völlig begrünte Krateröffnung - am Boden des Vulkans hat sich ein kleiner See gebildet. An den Hängen wachsen eine Vielzahl blühender Blumen.
Bei unserer Rückkehr werden wir von einem Kranichpaar empfangen, das sich aber schnell mit seinem Nachwuchs aus dem Staub macht. Mit einer Tasse Tee im Ausguck des Restaurants beenden wir den schönen Nachmittag.
Als wir abfahren, hängen die Wolken tief zwischen den Hügelkuppen, die Luft ist feucht und ein leichter Nieselregen setzt ein. Unser Ziel heute ist das Buddhistenkloster Amarbayasgalant aus der Mandschu Ära, als die Mongolei noch von Peking aus regiert wurde.
Auch heute können wir die Asphaltstraße benutzen, insgesamt ist der Norden der Mongolei verkehrstechnisch besser erschlossen als der Süden. Wir fahren an den ersten Getreidefeldern vorbei - die Flächen haben riesige Ausmaße, noch wohl ein Relikt aus der sozialistischen Zeit.
Wir erreichen Erdene, die Stadt, die der Bergbau reich gemacht hat. Hier fahren wesentlich mehr Autos auf den Straßen, die Stadt platzt aus allen Nähten, es ist die größte Provinzhauptstadt, die wir bisher gesehen haben. Gefördert wird im wesentlichen Steinkohle, die Schornsteine der Elektrizitätskraftwerke blasen schwarzen Rauch zum Himmel. Die Abwärme wird als Fernwärme genutzt. Die eigenen Kohlereserven sind der große Schatz der Mongolei. Sie machen einen großen Teil des Bruttoinlandproduktes aus.
Wir müssen die Asphaltstraße verlassen und fahren ab jetzt durch unwegsames aber herrliches Gelände. Ganaa hat alle Hände voll zu tun, den Landcruiser in der Spur zu halten. Einige Flussdurchquerungen gehören ebenfalls zum Repertoire. Nach ungefähr fünfzig Kilometern schimmert die vergoldete Schutzgott Statue auf einem Hügel auf. Wir nähern uns dem Kloster - unser Camp liegt direkt daneben. Weil das Wetter immer noch unstet ist, beschließen wir gleich nach dem Mittagsimbiss den Klosterkomplex zu besuchen, im Moment ist es trocken.
Das Kloster wurde während der Mandschu Zeit im 18. Jahrhundert erbaut. Während der Sowjet-Zeit verfiel es und wurde nach der Liberalisierung 1989 wieder kräftig restauriert. Jetzt gibt es hier wieder mönchisches Leben, ein Internat sorgt für die Unterbringung der jungen Zöglinge.
Die Camp-Betreiberin hat für uns heute Abend ein echt mongolisches Essen vorbereitet. Es gibt Schafsfleisch in einer Art Ravioli, ähnlich den sardischen Culorgiones.
Ihre Tochter überrascht uns mit einer Musikdarbietung auf der Pferdekopfgeige und einem alten mongolischen Volkslied.
Heute geht es zurück nach Ulaan Bataar. Ehe wir den Komfort der Aspaltstraße in Anspruch nehmen können, geht es zunächst wieder über Stock und Stein. Der Fluß hat an Breite zugenommen und der „Weg“ verliert sich im Matsch. Ganaa ist stolz auf seinen Landcruiser und meistert alles mit Bravour. Der Regen der letzten Tage hat den Fluß Bayan gol mächtig anschwellen lassen - wir sehen in der Flußniederung einige Jurten, die unter Wasser stehen. In Ulaan Bataar ist alles wieder normal, der Verkehr allerdings nicht. Wir brauchen eine Stunde, bis wir uns bis ins Zentrum vorgekämpft haben. Dafür ist unser Hotel direkt neben dem Parlamentsgebäude mit der großen Statue des Dschinghis Khan. Im ersten Kaufhaus am Platz kaufen wir für uns noch Socken aus Yak-Wolle ein. Dann geht es auch schon zu einem Konzert mit mongolischer Musik.
Den Abend lassen wir mit Doni und Ganaa, unseren treuen Begleitern, in einem Restaurant ausklingen. Morgen früh fliegen wir wieder nach Deutschland.