Kurz hinter unserem Camp liegt ein Wald mit Saxaul-Bäumen. Diese Art gibt es vornehmlich in Wüstenregionen, sie besitzt lange Wurzeln, trockene Äste und die diesjährigen Zweige sind lang, grün und dünn. Der Saxaul schützt vor Sandstürmen und speichert Wasser. Nach unserer Abfahrt werfen wir einen Blick in diesen ungewöhnlichen Wald und werden dann von einer Pferdeherde überrascht, die von zwei Hirten getrieben wird. Der eine sitzt konventionell zu Pferd, der andere verrichtet seine Arbeit vom Motorrad aus.
Kurze Zeit später erblickt Ganaa einen Adler, der von einer Anhöhe die Wüste beobachtet. Als wir näher kommen, sucht er das Weite.
Weiter geht die Fahrt durch die Wüste. Nach einer Stunde Fahrt erreichen wir die letzte Sanddüne der Gobi und können dann doch nicht widerstehen hinaufzuklettern, um einen letzten Ausblick zu genießen.
Einige Kilometer später sehen wir die Überreste eines verendeten Kamels, die Aasfresser der Wüste haben aber schon ganze Arbeit geleistet.
In einem kleinen Dorf wird getankt. Neben der Tankstelle gibt es noch weitere Infrastruktreinrichtungen für die Umgebung.
Im Camp „Secret of Ongi“ essen wir vorzüglich zu Mittag und besuchen dann die Ruinen eines ehemaligen buddhistischen Klosters, das im Jahr 1938 von den damaligen sowjetischen Machthabern dem Erdboden weitestgehend gleichgemacht wurde. An die Tempelanlage erinnern nur noch die Grundmauern. Viele der damaligen Bewohner wurden umgebracht. Ein Verbrechen, das noch heute in der Erinnerung nachwirkt.
Jetzt sitzen wir im Schatten am Fluss Ongi und genießen die Ruhe und Beschaulichkeit unseres neuen Camps.
Der Strom ist immer noch nicht da! Wir sind auf Niedrigenergie eingestellt, das Hotel aber anscheinend nicht. Es dauert doch eine längere Zeit, bis der Service sehr holprig in die Gänge kommt. Plan B ist nicht. Wir helfen uns selbst, bestellen uns heißes Wasser, Tee und Kaffee haben wir selbst. Wir fragen den Service nach diesem und jenem, Doni schaut in der Küche nach, was sie noch organisieren kann. Jetzt klappt dann doch alles. Der Stromausfall ist durch einen umgestürzten Strommasten verursacht worden, es dauert noch fünf Tage bis der Schaden beseitigt ist. Wir erinnern uns an die Schneekatastrophe im Münsterland mit ähnlichen Auswirkungen.
Die ersten fünf Kilometer fahren wir auf einer top asphaltierten Straße, doch dann muss Ganaa für den Rest der Strecke, immerhin ca. 150 Kilometer, alle seine Fahrkünste aufbieten. Er bleibt gelassen, stoisch sitzt er hinter dem Lenkrad und gibt keine Missfallensäußerung von sich.
Dabei bietet die Fahrt durch das Orkhontal ein so monumentales Naturschauspiel, das man nur ansatzweise beschreiben kann. In der Talaue fließt ein kleiner Fuß, zu beiden Seiten gleitet der Blick über grüne Hügel und sanfte Anhöhen. Unseren Weg kreuzen eine Vielzahl von Mäusen, die natürlich gleich den Höhenbussard auf den Plan rufen. Auch die Ziesel, zahlreich hier vertreten, locken ihren Freßfeind, den Adler an. In Gruppen sitzen sie auf den grünen Matten und warten auf Futter.
Eine Pferdeherde stillt den Durst im Fluss, eine Gruppe von Yaks fühlt sich ebenfalls von der Wasserstelle angezogen. An einer bronzezeitlichen Begräbnisstätte machen wir halt und versuchen die Hirschsteine zu entziffern, die um das Grab aufgestellt sind. Anschließend packen wir Tisch und Stühle aus und lassen uns zu einem Picknick hoch über dem Tal nieder. Zügig erreichen wir dann unser neues Camp - Doni kocht heute für uns: Schafsfleisch in Brühe, mit Kartoffeln, Zwiebeln und Möhren
- eine echt mongolische Mahlzeit.
Der Wind hat jetzt auch unser Tal erreicht, wir verbringen den Abend in der Jurte.
Ich habe mir eine Erkältung zugezogen. Der Kontrast zwischen den hohen Temperaturen in der Gobi und dem doch deutlich kühleren Wetter hier im Bergland, war wohl zu groß. Deshalb bin ich ganz froh, dass heute ein Ruhetag mit einer kleinen Wanderung zum Wasserfall eingeplant ist. Der Wasserfall ergießt sich in einen Kessel von wo aus das Wasser des Ulaan gol in den größeren Orkhon-Fluss weiter fließt. Uns begleitet eine Berlinerin, die mit den Besitzern des Camps befreundet ist. Wir laufen nur ein kurzes Wegesstück über hügelige Steppe, bis wir vor dem Kessel stehen. Ein findiger Mongole hat für abenteuerlustige Touris eine Seilbahn gebaut. Einige koreanische Jugendliche nehmen dieses Angebot begeistert wahr. Wir wandern wieder durch die Steppe zurück. Eine Herde Yaks fühlt sich durch unsere Anwesenheit belästigt und trabt davon. Für den Abend hat Ganaa einen Topf mit Gemüse und geschmortem Schafsfleisch vorbereitet. Gemeinsam sitzen alle in der Jurte und lassen es sich schmecken. Das weckt auch meine Lebensgeister wieder.
Heute besuchen wir Kharkhorum, die alte Hauptstadt der Mongolei und das in der Nähe gelegene Buddhisten-Kloster Erdene Zuu.
Kharkhorum ist längst keine Stadt mehr, nicht einmal mehr ein Dorf - die ehemalige mongolische Metropole wurde in einem der zahlreichen Kriege dem Erdboden gleichgemacht. Für die Mongolen besitzt der Ort weiterhin eine traditionelle Bedeutung, ist doch der Gründungsvater ihr unerreichter Anführer Dschingis Khan. In einem Museum, das mit großer Unterstützung der Archäologischen Abteilung der Uni Bonn errichtet wurde, kann man sehr anschaulich den Werdegang und die Entwicklung Kharkhorums nachvollziehen.
Das als Welkulturerbe gelistete Kloster Erdene Zuu liegt in unmittelbarer Nachbarschaft der alten Hauptstadt. Es war bis zu seiner Zerstörung durch die Sowjets im Jahr 1938 das geistliche Zentrum des mongolisch/tibetanischen Buddhismus. Einige Tempel haben diesen Kulturkampf überstanden - sie wurden als Lagerräume genutzt. Viele Stücke des wertvollen Inventars konnten ebenfalls gerettet werden, da wohlmeinende Offiziere gemeinsam mit den Einheimischen wichtige Kultgegenstände beiseite schafften. Auch eine kleine Mönchsgemeinde hat sich wieder angesiedelt und vollzieht weiter die Riten nach altem Brauch. Im nahegelegenen Jurtencamp finden wir Unterkunft.
Deine Sonne scheint und der Himmel ist klar, als wir aus der Jurte treten. Vor uns, auf einem Hügel vor dem Camp, liegt ein mongolisches Monument, das die Ausdehnung der Mongolei zu unterschiedlichen Zeiten beschreibt. Bis zum Frühstück ist noch etwas Zeit und so stapfen wir den Hügel hinauf. Wir bereuen es keine Minute: Von hier oben aus haben wir einen tollen Ausblick auf die Umgebung und auch das Monument hält, was es verspricht.
Unsere Tour zu den heißen Quellen verläuft heute fast nur auf asphaltierter Straße, nur die letzten vierzig Kilometer geht geht es wieder querfeldein mit mehreren Flussdurchquerungen. Unser Fahrer Ganaa kennt sich hier besonders aus - er ist hier geboren.
Unterwegs kreisen unentwegt unzählige Adler und Bussarde über uns. Als wir uns dem Kadaver eines verendeten Rinds nähern, fliegt eine große Meute auf und sucht das Weite. So reguliert die Natur sich selbst.
Unser Camp liegt direkt an den heißen Quellen. Das austretende Wasser wird aufgefangen und in Becken geleitet, in denen man dann sein Bad nehmen kann. Dies alles vor einer wunderschönen Kulisse.
Wir genießen die Stunden hier wie in einer Badekur. Die kulinarische Versorgung ist außerordentlich: Zum Frühstück gibt es Yoghurt aus Yakmilch, Hörnchen mit eingebackener Cremefüllung und vieles mehr…
Auf unserer Fahrt zum „Weißen See“ Terkhiin Tsagaan Nuur machen wir Station in der Provinzhauptstadt Tsetserleg. Schon von weitem sehen wir die monumentale Buddhastatue am Hang, zu der unzählige Treppen hinaufführen. Auf einem der Treppenabsätze stehen die zwölf Tierfiguren, die den buddhistischen Jahresrythmus repräsentieren.
Stupa und Tempel komplettieren den heiligen Ort.
Auf dem Weg nach unten treffen wir auf eine gebürtige Mongolin, die aber schon seit dreißig Jahren in Wuppertal lebt. Die Welt ist klein.
Das Provinzmuseum von Tseserleg zeigt sich von seiner besten Seite. Alles scheint frisch renoviert und macht einen guten Eindruck. Besonderen Wert wird hier auf die vergangene Lebenswelt gelegt. Ein gesatteltes Pferd, ein Yak unter dem Joch und eine komplett ausgestattete Jurte zieren die Ausstellung. Steinzeitliche Fundstücke aus der Region und Bekleidung und Schmuck sind ebenfalls zu sehen.
Der Weg zum Weißen See führt zunächst ebenfalls über eine Asphaltstraße, die letzten Kilometer sind wieder beschwerlich. Als wir am Ziel sind, regnet es, wir sind mittlerweile auf über zweitausend Meter. Da ist es dann auch schon etwas kühl. Aber dienstbare Geister entzünden schnell ein Feuer im Ofen, so dass wir es in der Jurte kuschelig warm haben. Gegen Abend legt sich der Regen dann.
Den Plan, heute den nahe gelegenen Vulkankrater zu umrunden, verwerfen wir. Erstens ist es ziemlich kalt und feucht, zweitens hat sich jetzt auch Annemarie eine Erkältung eingefangen wir beide sind entsprechend schlapp. Wir machen uns erst einmal auf zu einer halben Umrundung des „Weißen Sees“ und fahren dann weiter in Richtung der heißen Quellen nahe der Provinzstadt Morön. Es ist eine tolle Fahrt, da sich die Landschaft sukzessive verändert: Von der Hochebene bis in eine Region, die dem Schwarzwald ähnelt. Ganaan verrichtet heute Schwerstarbeit. Steilste Abfahrten, Flussdurchquerungen, Schlammniederungen und was es sonst noch so gibt.
Für uns Mitfahrer ist es ein grandioses Naturschauspiel. Wir beobachten neben der Landschaft ja auch noch die Tierwelt, die kreisenden Bussarde, die possierlichen Ziesel und was da sonst noch alles kreucht und fleucht.
Wir erreichen unser Camp um die Mittagszeit, für uns ist eine heiße Kraftbrühe vorbereitet worden, die bei unserer Erkältung gut tut. Am Nachmittag ist ein Besuch im Thermalbad angesagt - bei toller Kulisse tut das heiße Bad noch einmal so gut.
Nach einem Frühstück mit allen Spezialitäten, die die mongolische Küche hergibt, verabschieden wir uns von unserem Thermalcamp - Annemaries Erkältung flaut langsam (Betonung auf langsam) ab. Auch heute geht es wieder querfeldein, für die Naturbeobachtung natürlich ein Glücksfall, da so gut wie kein Verkehr existiert. An einem Hang können wir jetzt acht Adler beobachten, die auf die Sonne warten - jetzt ist es noch kühl und es gibt keine Thermik. Einige sitzen, einige liegen - ich kann gar nicht alle gleichzeitig auf ein Bild bannen.
An einem markanten Aussichtspunkt gibt es ein gemauertes Ovoo. Ganaa lässt es sich nicht nehmen, anzuhalten, und es dreimal zu umrunden. Das macht er eigentlich jeden Tag - er ist dieser Tradition noch sehr verhaftet.
Gegen Mittag machen wir Picknick in einem kleinen Waldstück und genießen die leckeren Blätterteigecken mit Fleischfüllung, die wir vom Camp mitbekommen haben.
Die letzten siebzig Kilometer ab der Provinzhauptstadt Mörön fahren wir wieder auf Asphalt, dann sind wir am Höwsgöl See, einem ungefähr dreihundertsiebzig Meter langen Binnensee, der sich bis zur chinesischen Grenze erstreckt. Unser neues Camp liegt direkt am Seeufer, aufgestellte Liegestühle laden zum Relaxen ein.