Wir
brechen unsere Zelte in Mhamid ab. Bevor es losgeht müssen wir allerdings hier und da noch etwas Sand entsorgen. In allen Ritzen stecken die Überreste des Sandsturms, die bei Gelegenheit immer wieder
auftauchen. Wir verabschieden uns von der NRW-Truppe, die sich hier gefunden hat, von Edith Kohlbach, von der netten Aufwärterin, dann wird bezahlt und ab geht die Post wieder zurück nach Zagora.
Hier kaufen wir ein, besorgen uns Dirhan (marokkanische Währung) bei der Bank und essen für wenig Geld Brochettes mit Pommes Frittes in einem kleinen Restaurant. Unser Ziel heute ist Agdez im
Draa-Tal. Entlang des Tals erstrecken sich Palmenoasen, rechts und links tut sich Gebirge auf und immer wieder gibt es mächtige Kasbahs. Aber auch die Ksars, die einfachen Lehmdörfer, begleiten den
Fluss. In Agdez finden wir einen idyllischen Platz in der Palmeraie, dem Palmengarten einer kleinen Kasbah.
Sonntag, 25. März
Nach dem Frühstück nutzen wir den Sonntag für einen Radausflug in die „City“ von Agdez. Es geht vorbei an einer alten, unheimlich großen und ehemals wohl prächtigen Kasbah. Doch der Zahn der Zeit hat
sichtlich an ihr genagt - dem Anschein nach wohnt hier keiner mehr, aber ganz genau kann man das nie wissen. Agdez selbst ist eine mittlere Provinzstadt mit modernen Häusern im Kern. Das
Erscheinungsbild ist sehr gepflegt, es gibt breite Straßen, sorgfältig gepflasterte Gehsteige und die öffentlichen Bauten wie Gendarmerie oder Rathaus und Schulen sind wie überall im Land picobello.
Wir laufen durch die Innenstadt, kommen zu einem kleinen Markt und erstehen ein Sträußchen Minze. Beim Stand nebenan verkauft ein alter Mann die absonderlichsten Dinge. Vertrocknete Falken liegen da
und tote Schlangen. Der Rest dieses Sammelsuriums ist nicht so recht identifizierbar. Da trinken wir lieber einen frisch gepressten Orangensaft in einem Straßencafé und beobachten das Treiben um uns
herum.
Am Nachmittag machen wir eine kleine Wanderung durch die Palmenoase, die sich entlang des Draa erstreckt. Unser Stellplatz ist ja von einer Palmeraie abgezwackt, da brauchen wir nur zum Tor hinaus zu
gehen. Am Weg liegt die Kasbah, zu der das gesamte Ensemble gehört, dann geht es in die Palmengärten. Wasser ist hier reichlich vorhanden, man hört es überall gluckern und die Bewässerungsgräben sind
gefüllt. Die Wasserverteilung folgt nach altem Prinzip - zur Bewässerung wird ein Schieber geöffnet und schon läuft das Wasser in die Beete. Es wird hauptsächlich Grünzeug zur Fütterung angepflanzt
doch wir entdecken auch ein lilienartiges Blümchen am Bewässerungsgraben.
Montag, 26. März
Bevor wir Agdez verlassen, muss wieder eingekauft werden. In einem kleinen Souk erstehen wir wieder kiloweise Gemüse und Obst und das alles zu kleinen Preisen. Beschränkt man sich beim Einkauf auf
den Markt und die kleinen Läden, sind die Kosten für den Lebensunterhalt sehr gering. Dagegen muss man sehen, dass die Menschen hier kaum Möglichkeiten zum Geldverdienen haben und sich vermutlich nur
mal so eben über Wasser halten. Als Europäer ist man dagegen reich - nach einem Einkauf werden wir oft gefragt, ob wir noch Kleidung, Schuhe oder ähnliches zum Verschenken haben. Etwas haben wir den
Kleiderschrank schon nach Entbehrlichem durchforstet - leider haben wir aus Platzmangel nur knapp gepackt, sonst könnte man mehr abgeben. Bettelnde Kinder sind selten. Sie fragen wohl nach „Bonbon“
oder „Stylo (Kuli)“. Unsere Süßigkeiten und übrige Kulis haben wir daher schon verteilt. Nach dem Einkauf geht es gleich hinaus auf die N 9, die uns zum Pass „Tizi-n-Tinififft“ führt. Bis auf
tausendsechshundert Meter schraubt sich die Straße im Gebirge in die Höhe und wir haben tolle Ausblicke auf die Schlucht des Draa, der sich hier munter durchs Gebirge gefräst hat. Kaum haben wir den
Pass erreicht, sehen wir auf der anderen Seite in der Ferne die schneebedeckten Berge des Atlasgebirges. Jetzt geht es zügig weiter bis nach Ait-Ben-Haddou, zu „dem“ Weltkulturerbe Marokkos: Ein
wunderschönes Beispiel traditioneller Lehmbauarchitektur der Berber.
Dienstag, 27. März
Ait-Ben-Haddou besteht aus vier Kasbahs, um die sich jeweils ein Ksar gliedert. In der Kasbah wohnt der „Burgherr“ mit seiner Familie, im Ksar seine ihm untergebene Bevölkerung. Ein Ksar besteht aus
einer Verschachtelung von Wohnungen, die alle über Gassen verbunden sind. Innerhalb der Wohnungen gibt es Gänge, die wiederum von den Gassen für den Außenstehenden kaum zu unterscheiden sind. Das
Ganze zieht sich mehrstöckig den Berg hinauf, mit Terassen und in Lehmbauweise gefertigt. Dies, und der gut erhaltene Zustand, macht die Besonderheit von Ait-Ben-Haddou aus. Es ist daher als
Weltkulturerbe ausgezeichnet worden. Wir machen uns früh auf den Weg, um den Touristenströmen zu entgehen. Im Gegensatz zu vielen anderen Ksar ist Ait-Ben-Haddou bewohnt. Wir haben die Möglichkeit,
eine dieser Wohnungen zu besichtigen - eine junge Frau, die hier mit ihrer Mutter und ihren zwei Brüdern wohnt, gewährt uns einen Blick in die Privatsphäre. Die Räume sind weitgehend unmöbliert, mit
Teppichen ausgelegt und luftig und kühl. Im Sommer sicher ideal, doch wie mag es im Winter aussehen. Auch ein Viehstall mit Schafen und Hühnern ist hier untergebracht. Von der Terasse bietet sich ein
wunderschöner Blick ins Tal. Um den Ort zu erreichen muss man das Flussbett des Oued Mellah queren - ganz fortschrittlich über eine Brücke oder bei einer Furt über Sandsäcke, die als Trittsteine
ausgelegt sind. Zahlreiche Historienfilme sind in dieser historischen Kulisse gedreht worden, unter anderen „Lawrence von Arabien“, „Die letzte Versuchung Jesu“ und „Alexander“. Durch den Status
Weltkuturerbe und die Filmindustrie ist natürlich viel Geld hierher geflossen, das der Restaurierung zugute kommt.
Mittwoch, 28. März
Ein
letzter Blick auf den Ksar von Ait-Ben-Haddou, dann starten wir in Richtung Tafraoute. Als Zwischenziel haben wir uns Talliouine gewählt, auf tausend Meter Höhe im Gebirge zwischen Hohem Atlas und
Anti Atlas gelegen. Die Fahrt hierhin bietet keine Highlights, gelegentlich kreuzt ein Hirte mit seiner Herde den Weg oder ein einsamer Eselreiter winkt uns zu. Der Tag ist von Hochnebel geprägt, das
heißt, die Sonne hat es schwer sich durchzusetzen und es ist ziemlich dunstig. Dies verhindert auch einen klaren Blick auf Talliouine - obwohl wir einen wunderschönen Stellplatz inmitten von Orangen-
und Olivenbäumen haben, der den Blick auf den Ort freigibt.
Donnerstag, 29. März
Bei Sonnenschein und klarem Himmel frühstücken wir draußen vorm Womo und genießen den Ausblick. Dann wird alles zusammengepackt und los geht die Fahrt nach Tafraoute. Die Straße, ein kleines
Landsträßchen, ist soweit ok, doch sie wird immer wieder unterbrochen, wenn wir den begleitenden Fluss queren müssen. Anscheinend muß vor nicht allzu langer Zeit eine gewaltige Flutwelle
durchgerauscht sein, denn die meisten Brücken sind perdu. Dann müssen wir über eine Notstraße parallel zur Brücke die Furt queren - schön vorsichtig und im ersten Gang, denn es geht meist steil
hinunter und dann wieder steil hoch. Aber auch das schaffen wir und werden kurz darauf mit einer niegelnagelneuen Straße belohnt, die uns durch eine wunderbare Landschaft führt. Später säumen noch
blühende Mandelbäume spalierartig unseren Weg. Wir erreichen Tafraoute und gleich nach dem Ortsschild sehen wir schon Mohammeds Werkstatt. Er hat sich auf Wohnmobile spezialisiert und gilt bei
Marokkotourern als Geheimtipp. Bei ihm wollen wir einige Lackschäden beseitigen lassen. Wir können das Womo gleich stehen lassen und sofort machen sich zwei junge Männer an die Arbeit.
Freitag, 30. März
An
unserem Womo wird fleißig geschliffen, grundiert und abgeklebt. Wir nutzen die Zeit für einen Besuch in der City. Eine nette Atmosphäre ist es hier, viele kleine Handwerker, Läden mit verschiedenen
Produkten, sogar ein kleiner Supermarkt. Es gibt auffällig viele Schuster, die ihre selbstgemachten Produkte an den Mann, an die Frau, bringen. Auch Autowerkstätten, die noch ganze Motoren
auseinandernehmen, alles am Straßenrand natürlich. Faszinierend - das sind noch echte Schrauber. Man sieht viele alte Mercedes und auch Peugeot ist zahlreich vertreten. Alles Fahrzeuge, die schon
über fünfzig Jahre auf dem Buckel haben. An der Werkstatt bei Mohamed steht neben uns ein Paar aus Holland, das sein Womo generalüberholen lässt. Mit Trüdi und Dick gehen wir gemeinsam zum Essen und
verstehen uns prächtig. Als wir da so sitzen, kommt eine ehemalige Schülerin von mir auf dem Fahrrad vorbei. Großes Hallo auf beiden Seiten. Helen und ihr Freund sind als Backpacker in Marokko
unterwegs.