Heute ist unser Hochzeitstag. Wir haben uns was besonderes vorgenommen. Den Abend und die Nacht verbringen wir in der Kasbah Sahara Sky - einem Hotel mit Fernrohren auf der Dachterrasse. Doch dazu
später. Zunächst müssen wir noch unsere Zelte abbrechen, sprich das Womo wieder reisefertig machen, tanken und Wasser und Milch einkaufen. Nach kurzer Fahrt durch die Hammada erreichen wir
Tamegroute. Hier befindet sich das Mausoleum von sieben heiligen Männern und einer heiligen Frau des Nassirya-Ordens. Außerdem eine Bibliothek mit über viertausend Handschriften. Ein Guide, der sich
am Parkplatz angeboten hat, bringt uns zum Heiligtum und führt uns in die Altstadt. Sie besteht aus drei Lehm-Ksour mit engen, zum Teil überdeckten Gassen und verschachtelten Bauten. Ohne ihn wären
wir wohl nicht auf die Idee gekommen, diesen Bereich zu besichtigen. Tamagroute ist auch für seine grün glasierten Töpferwaren bekannt. Unser Guide bringt uns zu dem Leiter der Kooperative, der uns
den gesamten Bereich der Töpferwarenherstellung demonstriert. Wir sind erstaunt, mit welch einfachen Mitteln solch wunderschönes Geschirr hergestellt wird.
In der Kasbah Sahara-Sky empfängt uns Fritz Korting, ein Deutscher, der nach vielen Stationen seinen Lebensmittelpunkt hier in Marokko gesetzt hat. Auf der Dachterrasse seines Hotels sind unzählige
Teleobjektive zur Sternbeobachtung montiert. Der belgische Astronom Patrick hält dazu Vorträge über das afrikanische Himmelszelt. Übernachtung, gemeinsames Abendessen und Sternegucken sind ein
Gesamtpaket, für das man einen Pauschalpreis bezahlt. Heute Abend ist es etwas dunstig - den Sternenhimmel haben wir in der Wüste schon intensiver gesehen. Patricks Sachkunde macht dies aber schnell
wieder wett und so stehen wir zweieinhalb Stunden in der Nacht auf der Terrasse und schauen in den Himmel.
Sonntag, 18. März
Die
Sonne scheint schon durch die Dachluke, als wir heute Morgen aufwachen. Wir sehen vor uns die Wüste mit ein paar Nomadenzelten, an denen auch schon Geschäftigkeit zu sehen ist. Ein letzter Blick von
der Dachterrasse, Abschied von Fritz und Patrick und dann sind wir wieder auf der N9, die nach Mhamid führt. In der Oase Oulad Driss wollen wir in der Kasbah Touareg unterkommen. Sie liegt abseits
der Straße, nur über einen Schotterweg erreichbar. Wir werden herzlich empfangen und müssen natürlich zunächst mit unserem Gastgeber Tee trinken. Das Teezeremoniell zieht sich, unser Gastgeber
springt immer wieder auf, um zu telefonieren. In schlechtem Französisch bedeutet er uns, das er uns in seine Familie einbeziehen (vorstellen?) will. Es dauert. Immer mehr Menschen kommen in den Hof
der Kasbah und verschwinden wieder. Auf einmal kommt Bewegung in die Sache. Wir hören das laute Schlagen verschiedener Trommeln, rhythmischen Frauengesang, ein hohes Tremolo aus einer Frauenkehle und
alles was Beine hat bewegt sich in einen Raum. Unser Gastgeber schiebt uns ganz nach vorne. Rechts von uns haben sich die Frauen aufgebaut und zu unserer Linken stehen mehrere Männer, die einen
Vorhang hochhalten, der den ganzen Raum durchtrennt. Alle sind in Aufregung, reden durcheinander, die Trommeln schlagen weiter und auch die Frauen beginnen immer wieder mit ihrem Singsang, bis wir
Babygeschrei hören: Jetzt ist mir klar - wir nehmen an einem Beschneidungsritual teil. Jetzt wird auch schon der kleine Körper über den Vorhang gehoben und ein junges, festlich gekleidetes Mädchen
nimmt ihn auf den Rücken. Ihr Kopf
und der des Kleinen wird mit Henna eingerieben und dann verläßt sie unter dem Geschrei und in der Begleitung älterer Frauen den Raum. Dieser Vorgang wiederholt sich bei zwei weiteren Babys. Alle sind
sehr ergriffen: Die älteren wischen sich verstohlen einige Tränen aus den Augen, die jungen Mädchen weinen offen. Nur die Jungen meiden den Raum - sie stehen draußen. Die Beschneidung wird über den
Vorhang hinweg auch gefilmt und fotografiert. Ich wage es aber nicht, den Fotoapparat in Stellung zu bringen. Wir sind von der gesamten Szenerie wie betäubt und brauchen etwas, um das Gesehene
„sacken“ zu lassen.
Am Nachmittag machen wir noch einen Spaziergang zu der Ruine einer alten Kasbah am Ufer des Draa. Die Ruine gibt den Blick frei auf die verschachtelte Bauweise dieser Wohnhäuser. Räume an Räume
verbunden mit Treppen und Gängen, scheinbar ohne System, boten sie Platz für große Familien. Der Draa ist ausgetrocknet - man sollte es nicht glauben, aber dieser Fluss ist über tausendzweihundert
Kilometer lang, windet sich durch den Süden Marokkos und mündet schließlich im Atlantik. Auf der anderen Seite des Flusses ist schon militärisches Sperrgebiet. Die Grenze zu Algerien ist nicht weit.
Montag, 19. März
Abschied
von der Kasbah Tuareg. Nach wenigen Kilometern erreichen wir Mhamid, der letzte Ort vor der Wüste Erg Chegaga. Ab hier gibt es keine Asphaltstraße mehr, nur noch Piste. Wer weiter will, benötigt ein
4x4 Fahrzeug. Wir kommen in der Kasbah Sahara Services unter und lernen gleich Edith Kohlbach kennen. Sie ist Autorin von zwei Marokko Büchern und hier ebenfalls untergekommen. Wir verabreden uns für
den Nachmittag zu einer kleinen Rundtour. Doch zunächst geht es noch schnell zum Markt, da wir wieder Obst und Gemüse brauchen. Die Märkte decken in Marokko das Angebot ab, was man in Europa in
Großmärkten erwartet. Nicht unbedingt auf gleichem Niveau, aber alles das, was man zum Leben brauchcht. Heute können wir zum Beispiel einem Hufschmied bei der Arbeit zusehen. Edith Kohlbach fährt
uns am Nachmittag zu einer verfallenen Kasbah, deren Besitzer nicht die nötigen Mittel für eine Restauration aufbringen kann. Langsam ergreift der Wüstensand wieder sein altes Terrain - im
danebenliegenden Dorf ist das schon weitgehend gelungen. Es geht auf den Abend zu und die Sonne wirft ihr warmes weiches Abendlicht auf die Szenerie.
Dienstag, 20. März
Heute
sind wir wieder früh auf den Beinen und starten zu einer Fahrradtour in die Umgebung von Mhamid. Jenseits des Draa, über den eine große Brücke führt, sind kleine Dörfer, die durch ein Ringstraße
verbunden sind. Hier radeln wir entlang, es gibt fast keinen Verkehr, die Nacht hat genügend Kühle gebracht und die Sonne ist noch nicht heiß. Optimal zum Radfahren. Die Dorfbewohner beäugen uns
etwas skeptisch, ein älterer Herr will uns sein Haus zeigen und Annemarie wird von einigen Kindern bestürmt, ohne dass recht klar wird, was sie eigentlich wollen. Meistens geht es um Bonbons oder
Stylos, aber hier hören wir nichts dergleichen. Die Dörfer bestehen alle aus Lehmbauten und sind sehr verschachtelt. So richtig traut man sich nicht hinein, da nie ganz klar ist, was ist öffentlicher
Weg, was ist privat. Wir radeln durch die Palmengärten und sehen Bauern auf den Feldern, die Grünzeug schneiden oder die Palmen von den unteren Zweigen befreien. In der Nähe steht meist ein Esel
bereit, um sich die Last aufpacken zu lassen. In Mhamid fahren wir bis an den Rand der Wüste, wo der Asphalt aufhört. Ab hier geht für uns nichts mehr.
Mittwoch, 21. März
Gegen
Abend und in der Nacht hat uns wieder ein Sandsturm überrascht. Dieses Mal stehen wir etwas freier als beim letzten Mal und die Folgen bekommen wir dann auch zu spüren. Mit knapp sechzig km/h rüttelt
der Sturm am Womo - das stört uns nicht so, doch durch den hohen Winddruck kann der Wüstensand in feinste Spalten eindringen und sich seinen Weg bahnen. Die Lüftungsklappen im Wasch-
Duschbereich sind davon besonders betroffen. Hier ist es heute Morgen wie rot gepudert. Bevor wir frühstücken starten wir zunächst eine Säuberungsaktion. Nachbarn, deren Fahrzeug nicht so dicht ist,
haben schon das gesamte Gepäck ausgeräumt, um des Sandes Herr zu werden. Das Wetter ist aber jetzt wieder topp und wir gehen wieder mit dem Fahrrad auf Entdeckungstour in die Umgebung.
Donnerstag, 22. März
Heute
beginnt das Nomadenfestival in Mhamid. Laut Programm soll die Einführungsveranstaltung um halb vier anfangen, doch es zieht sich. Wir sitzen im Garten eines exklusiven Hotels und harren der Dinge,
die da kommen sollen. Doch dann geht es Schlag auf Schlag. Eine Nomaden-Band mixt traditionellen Sound mit Rockelementen (es klingt etwas nach Cream), dann eine Percussion-Group, Tänzer (Derwische),
eine traditionelle Tanzgruppe und als Krönung der „Course des Dromedaires“. Das ganze ist leicht unwirklich, wie aus „Tausendundeinernacht“. Im Ort herrscht jetzt schon munteres Treiben. Ganze
Familien sind unterwegs und palavern, Kindern drängen die Mütter zu den Ständen mit Luftballons, ambulante Händler preisen ihre Waren an. Es ist ein bunter Trubel. Der erste Abend beginnt mit einem
Konzert der Gruppe „Echos du Sahara Projet“, deren Stil stark von Percussion, einem Saiteninstrument (Tidinet) und Gesang geprägt ist.
Freitag, 23. März
Ein
vielfältiger Tag heute. Die folkloristische Tanzgruppe „Tizouite Kelaat Mgouna“ hat heute fürs Fernsehen einen Auftritt im Innenhof des Hotels. Wir verfolgen die Aufführung aus allernächster Nähe.
Mit Edith Kohlbach, der Autorin, und Eberhard Hahne, einem Fotografen, fahren wir anschließend wieder in unser letztes Domozil, zur Kasbah Touareg. Dort sind wir von Ali zum Couscous-Essen
eingeladen. Unterm Olivenbaum ist schon alles vorbereitet und wir genießen die Atmosphäre hier in dieser Oase der Ruhe. Die Familie erkennt uns wieder, alle kommen und begrüßen uns. Nach dem Essen
zeigt uns Ali, der Chef, das Anwesen und das angeschlossene Museum. Zurück in Mhamid laufen wir nach einer kleinen Siesta in den Ort und verfolgen den Auftritt mehrerer Gruppen aus der näheren
Umgebung. Es wird immer voller - heute ist ja Freitag, Feiertag für Muslime, man hat frei und kann in Mhamid entlang der Stände flanieren. Am meisten beeindruckt uns die Kleidung der Frauen. Alle
Farben und Stile sind vertreten. Den Abend verbringen wir im Wohnmobil - die Musik von der Haupttribüne hören wir auch so.