Den Polstern unseres Womos sieht man
die Beanspruchung der letzten Jahre schon an. Deshalb können wir der Verlockung nicht widerstehen, dem Spezialisten für die Aufbereitung von Wohnmobilpolstern einen Besuch abzustatten. Gleich um die
Ecke, hinterm Stadttor, hat er sein Geschäft. Bei einigen seiner Kunden konnten wir uns schon von der Qualität seiner Arbeit überzeugen und der Preis erleichtert einem die Entscheidung erheblich.
Zunächst haben wir Schwierigkeiten den „Patron“ zu erwischen, doch dann geht alles sehr schnell: Die Muster für die Ledereinfassung hat er parat, den Stoff wählen wir in einem „magazine“ aus, zu dem
er mit uns in einem „petit taxi“ gekurvt ist. Kaum zurück, kommt sein Gehilfe und baut den Vordersitz aus und nimmt alle Polster mit. Der Fahrersitz bleibt noch da, zum Sitzen hat er für uns zwei
Polster mitgebracht. In drei Tagen soll alles über die Bühne sein. Wir sind gespannt.
Montag, 25. März
Wir haben jetzt ja viel Zeit, Tiznit zu
erkunden. Wir schlendern durch die zahlreichen Märkte, probieren hier und da mal von dem orientalischen Angebot: Gesalzene Mandeln, frittierte Fischchen, gegrillte Spießchen und und und. Wir
erfrischen uns mit dem Saft von gepressten Orangen und trinken Pfefferminztee. Ein Mittagessen im Restaurant kostet weniger als bei uns in der Mensa, doch wir kochen ja auch selbst gern und probieren
vieles aus. Der Campingplatz ist weitestgehend mit Franzosen belegt, die alle schon den Winter über hier sind. Die meisten sind schon in den Siebzigern, halten sich meist auf dem Platz auf und
verschwinden abends früh in ihre Womos zum Fernsehen. Sie leben wie zuhause, nur mit Sonne.
Dienstag, 26. März
Unser täglicher Stadtrundgang führt uns
wieder durch die Souks von Tiznit. Unterwegs kann man Autos bewundern, die beinahe schon in Vergessenheit geraten sind. Noch relativ häufig vertreten ist der R4 von Renault. Ihn sieht man
allenthalben in unterschiedlichster Form auf den schmalen Straßen der Medina. Mit gewisser Nostalgie sehe ich einen Peugeot 405 an der source bleu vorbeibrausen. Mit so einem Modell bin ich vor
über fünfzig Jahren im ersten Lehrjahr auf Kundendienst gefahren. Der Ford Transit erinnert uns an unsere Jugoslawientour mit Elsbeth, Walter, Bärbel und Michael 1974. Ein Renault R 16 kurvt
ebenfalls noch durch die Gegend. Wahrscheinlich hat die geringe Luftfeuchtigkeit diesen ganzen Oldtimern ihr Überleben gesichert. Annemarie Haare verdienen einen neuen Schnitt. Eine talentierte
Coiffeuse verschafft ihr innerhalb kürzester Zeit ein neues Outfit.
Mittwoch, 27. März
Manchmal geht auch in Marokko auf
einmal alles sehr schnell: Heute Morgen, wir sind noch beim Frühstück, steht der Patron vor der Tür und bittet uns, mit dem Womo zu seinem Geschäft zu fahren. Alles sei fertig. Na dann mal los. Seine
Mitarbeiter warten schon und sind sichtlich stolz auf ihre Arbeit. Wir müssen jede Naht begutachten und ihr Werk ausführlich bewundern. Jetzt geht es zügig zur Sache. Die beiden Sitze werden wieder
eingebaut und die Polster eingerichtet und zurechtgeklopft. Der Patron schießt noch einige Photos von seinem Werk und dann verlassen wir diese fleißigen und kompetenten Handwerker, nicht ohne unseren
Dank durch ein Trinkgeld auszudrücken.
Donnerstag, 28. März
Sidi Ifni wartet auf uns: Heute Morgen
gehen wir nach dem Frühstück zügig zu Werke und packen unsere Siebensachen, um zu starten. Bevor wir Tiznit endgültig verlassen, kaufen wir noch schnell in einem Supermarkt einige Dinge ein, die uns
fehlen. Es ist das erste Mal, dass wir auf unserer Tour einen solchen Supermarkt aufsuchen. Sie sind in Marokko nicht sehr verbreitet - hier kauft man lieber im Souk oder bei Kleinhändlern ein. Die
Straße nach Sidi Ifni geht immer direkt an der Küste entlang. Links von uns ein mittleres Gebirge, rechts der Atlantische Ozean. Gelegentlich gibt es größere Baustellen, wo dem künftigen Tourismus
Tribut gezollt wird und ein Resort oder ein großer Ferienanlagenkomplex gebaut wird. Im Großen und Ganzen ist die Landschaft aber weitgehend unberührt. Nach siebzig Kilometern taucht Sidi Ifni auf -
die Stadt liegt auf einem Hügel, unser Campingplatz ist direkt unterhalb, vom Meer und Strandpromenade nur durch eine Mauer getrennt. Am Nachmittag wandern wir entlang der Steilküste und statten auch
dem Ort schon einen Besuch ab.
Freitag, 29. März
Heute ist Bilderbuchwetter. Über die
blauweißen Treppen erklimmen wir nach dem Frühstück den Stadthügel und sehen uns das Angebot im Souk an. Wir erstehen zwei Koteletts vom Dromedar. Der Verkäufer hat uns hoch und heilig versichert,
dies sei eine besondere Spezialität. Wir werden sehen. Für heute steht Grillhuhn auf dem Programm - es ist schon fix und fertig und wiegt gut und gerne zwei Kilogramm. Das gibt aber mindestens zwei
Mahlzeiten... Am Souk ist auch ein kleiner Menschenauflauf. Ungefähr zwanzig junge Leute demonstrieren hier in Gelbwesten, mit Megaphon und einem großen Transparent für oder gegen etwas. Sie sind von
Polizisten umgeben, können aber ihr Anliegen ungehindert vortragen. Zu fotografieren traue ich mich nicht, da dann auch immer Polizisten mit ins Bild kämen. Nach Polizeistaat sieht die ganze
Geschichte aber nicht aus. Am Nachmittag genießen wir die Sonne, zuerst am Womo, dann auf einer langen Strandwanderung. Uns fallen immer wieder quallenartige Wesen auf, die wir ihrer Form wegen den
Arbeitstitel „Pimmelquallen“ geben. Ein Blick ins schlaue Wikipedia belehrt uns, dass es sich dabei um „Portugiesische Galeeren“ handelt, keine Quallenart, sondern eine Kolonie von Polypen. Der
vermeintliche Pimmel ist eine Gasblase. Das ganze Ding ist hochgiftig. Der Abend klingt bei einem Glas Wein und der Beobachtung von Turmfalken aus, die wohl im Fels der Steilküste
nisten.
Samstag, 30. März
Heute und morgen ist in Sidi Ifni Markt. Wir steigen wieder tausend Treppen den Hügel hinauf und kommen zu dem riesigen Freigelände. So richtig ist alles noch nicht in Schwung, es sind erst wenige
Händler hier vor Ort. Wir kaufen Erdbeeren fürs Müsli und beschließen, den großen Marktbummel auf Sonntag zu verschieben. Dafür zieht es uns jetzt zu den Fischlokalen am Souk. Deren Angebot hatte uns
gestern schon gereizt. Für wenig Geld bestellen wir einen Teller mit gemischten Meeresfrüchten und eine Dorade. Ein Paradies für Fischliebhaber. Es ist bedeckt heute, aber unsere ausgiebige Wanderung
am Strand fällt deswegen nicht aus. Auch die Einheimischen verbringen hier ihren Samstagnachmittag.
Sonntag, 31. März
Markttag in Sidi Ifni - Hinter dem Ortskern mit Rathaus und Königspalast und alter spanischer Kathedrale erstreckt sich ein weitläufiges Freigelände, das als Marktplatz genutzt wird. Händler und
Käufer aus Sidi Ifni und Umgebung strömen an den zwei Markttagen hierher, um ihr Schnäppchen zu machen. Hier ist alles immer noch billiger als im Souk. Obst und Gemüse hat in der Regel einen
Einheitspreis und wird in Kilogramm abgegeben. Man füllt seine Schüssel mit dem gewünschten Gemüse und der Händler legt auf oder nimmt ab, damit das Gewicht stimmt. Nach dem Einkauf gönnen wir uns
den unvergleichlichen Orangensaft auf der Dachterasse eines Cafés. Von hier aus haben wir einen super Überblick über Menschen und Umgebung. Sidi Ifni ist historisch und architektonisch eine
Besonderheit: Seit dem 19. Jahrhundert in spanischem Besitz wurde es 1939 unter Franco als Festung ausgebaut. Man schuf ein geometrisches Stadtbild, es gab eine Infrastruktur mit Krankenhaus,
Rathaus, Kino und Klubs. Die Häuser entstanden im Art Deco Stil. Auch nach der Unabhängigkeit blieb Sidi Ifni spanische Enklave. Erst 1969 wurde es Marokko zugeschlagen.