Wir stehen auf einem der wenigen
Campingplätze in Armenien. Bei der Vorbereitung der Reise habe ich ihn in keinem einschlägigen Verzeichnis gefunden. Wie mir der junge Betreiber erzählt, war die Eröffnung letztes Jahr. Ich
verspreche ihm, den Platz in den wichtigen Womoportalen anzumelden. Der Naturplatz befindet sich auf einem Hochplateau nahe dem als Weltkulturerbe gelisteten Kloster Hagh Path. Vor uns tut sich eine
schmale tiefe Schlucht auf, die wir über die Serpentinenstraße hinaufgekraxelt sind. Heute Morgen haben wir uns herzlich von Godscha und seiner Frau verabschiedet, die uns freundlicherweise den
Stellplatz überlassen haben. Ihr Sohn Beka will uns besuchen - er kennt sich ja in Münster aus, weil er an der FH Architektur studiert hat. Wir finden die Straße nach Armenien ohne große Mühe - die
neue App bewährt sich. Auch der Grenzübertritt bereitet keine Probleme, Versicherung und SIM-Karte sind schnell besorgt.
Samstag, 29. Juni
Als wir aufstehen scheint die Sonne und
wir können diese traumhafte Umgebung so richtig genießen. Heute wollen wir zwei armenische Klöster besuchen, beide Weltkulturerbe, ziemlich nahe beieinander gelegen. Zuerst geht es nach Hagh Pat, es
liegt auf der Hochebene über unserem Campingplatz und wir müssen nur noch ein paar Serpentinen nehmen, um zu diesem Kleinod aus dem zwölften Jahrhundert zu gelangen. Es verirren sich
anscheinend nur selten Wohnmobile hierher, bei der Durchfahrt durch das kleine Dorf erregen wir schon Aufsehen. Mit Festungsmauern umgeben präsentiert sich Hagh Pat als ein Ort der Stille und
Besinnung. Wir treffen zwei deutsche Touristen aus Stuttgart, mit denen wir uns noch einige Zeit über unsere Eindrücke austauschen. Das Kloster Sanahin liegt in der Nähe, wir müssen aber den Weg über
die Serpentinen durch die Schlucht nach unten kurven, um dann auf der anderen Seite die gleiche Prozedur in umkehrter Richtung erneut auf uns zu nehmen. Sanahin ist ein größerer Komplex, hier treffen
sich heute armenische Familien mit festlich gekleideten Müttern und Kindern. Was für eine Zeremonie stattfinden soll ist uns nicht klar - wir tippen auf Taufe. Der Weg nach Edschmiatsin, das
geistliche Zentrum Armeniens, führt uns durchs Gebirge. Hier treffen wir auf die schlechtesten Straßen unserer Tour. Mühselig bringen wir die ersten zehn Kilometer hinter uns. Und dann, oh Wunder,
geht es einigermaßen erträglich weiter.
Sonntag, 30. Juli
Edschmiatsin, nur zwanzig Kilometer von
der Hauptstadt Jerewan entfernt, ist das Zentrum der Armenischen Kirche. Hier residiert der Katholikos, das Oberhaupt der armenischen Gläubigen. Auch den Status der Hauptstadt hat es im Mittelalter
besessen, doch das ist lange her. Heute gibt sich der Ort als mittlere Kleinstadt. Das religiöse Zentrum mit der Kathedrale als Mittelpunkt ist Magnet für Pilger, Priester und Seminaristen. Wir
stehen auf dem Parkplatz neben der Kathedrale. Eigentlich ist er in der Nacht mit einer Schranke verschlossen, doch Überredungskunst und eine Dose Bier helfen weiter. Heute Morgen um neun machen wir
uns auf zur Erkundung des Kirchengeländes. Leider ist die Kathedrale aus dem fünften Jahrhundert wegen Renovierungsarbeiten eingerüstet und verschlossen. Nur das wunderschöne Eingangsportal ist zu
sehen. Wir durchstreifen das große Gelände, laufen entlang einer Allee mit wunderschön gearbeiteten Kreuzsteinen aus den unterschiedlichsten Jahrhunderten und treffen dabei auf einen Flüchtling aus
Syrien, den der Krieg nach hierhin verschlagen hat. Seine Familie ist im Krieg umgekommen, in Armenien hält er sich mit Handlangerarbeiten bei der Renovierung über Wasser. Beim Goethe-Institut hat er
Deutsch gelernt. Ein trauriges Schicksal.
Etwas außerhalb des Geländes steht
die Kirche der Heiligen Gajane, eine Märtyrerin. Das Gebäude ist unspektakulär, strahlt aber Klarheit und Urtümlichkeit aus.
Auf geht es jetzt nach Jerewan, in
Zwarthnots statten wir den Ruinen der Kathedrale aus dem siebten Jahrhundert einen kurzen Besuch ab. Die nächste Kathedrale im Programm suchen wir nicht wegen der Kultur, sondern weil wir einen
Parkplatz brauchen. Im Schatten der Kirche von „Gregor dem Erleuchteten“ finden wir die anvisierte Stellfläche. Ein Armenier auf der Stuttgarter Touristenmesse hat uns diesen Tipp gegeben. Wir
stehen jetzt knapp einen Kilometer vom Zentrum entfernt, laufen durch die Straßen und lassen die Hauptstadt auf uns wirken. Eine pulsierende junge Stadt!
Montag, 1. Juli
Etwas unruhig durch den Autoverkehr,
doch sonst stört nichts unseren Schlaf auf dem Parkplatz der größten armenischen Kirche. Leider haben heute früh noch alle Bäckereien geschlossen - das Angebot von gestern war völlig verlockend, doch
uns war nicht nach Einkaufen und haben jetzt das Nachsehen. Der Ersatz aus dem Supermarkt ist es etwas trocken. Der Verkehr heute Morgen hält sich in Grenzen und wir können die Großstadt mit über
einer Million Einwohnern in aller Ruhe verlassen und uns auf den Weg zum Höhlenkloster in Geghard machen. Das Wetter heute ist sonnig und klar, man hat Fernsicht. Kaum haben wir Jerewan verlassen,
taucht er auf: Der Ararat! Der Berg, an dem Noah seine Arche nach der Sintflut befestigt haben soll, glänzt mit seiner Schneespitze in der Sonne. Ein tolles Bild. Wir verlassen die Araratebene und
am Talende der Azadschlucht sind die Berghänge wieder enger und bewaldet. Hier liegt auf einer kleinen Anhöhe das Höhlenkloster Geghard. Vermutlich wurde es zu Beginn des vierten Jahrhunderts am
Ort einer alten heidnischen Kultstätte begründet. In den weichen Tuff geschlagene Höhlen dienten den Mönchen als Klausur. Die mächtige Höhlenkirche ist durch einen schmalen Gang erreichbar und es
verschlägt einem fast der Atem ob der Ausstrahlung und Akustik dieses gewaltigen Höhlenraums. Unterhalb der Höhlenkirche ist eine Steinkirche gesetzt, die an eine Felshöhlung anschließt. Heute Morgen
ist es still hier und es herrscht eine besondere Atmosphäre.
Bis zu einem der zwei Campingplätze
Armeniens sind es von hier nur wenige Kilometer und wir erleben eine Überraschung der besonderen Art: Hinter den Mauern des Geländes hat ein Paar aus den Niederlanden ein besonderes Idyll für
Camper geschaffen, das man hier nicht vermutet hätte. Nahostreisende aus ganz Europa treffen sich hier zum Pausieren.
Dienstag, 2. Juli
Unser Campingplatz ist eine Insel
Europas in armenischer Umgebung. Ausgestattet mit Swimmung Pool und mehreren Küchen und Sitzgelegenheiten an unterschiedlichen Panoramaplätzen erfüllt der Platz und besonders Sandra, die agile
Besitzerin, alle Wünsche der Camper. Hier treffen sich im wesentlichen Offroader aus aller Welt, die in den Iran fahren wollen, aber auch Franzosen, mit dem Fahrrad oder eine Familie aus Belgien, die
das „bed and breakfast“ Angebot in Anspruch nehmen. Wir frühstücken auf der Sonnenterrasse und wollen in den nächsten Tagen an diesem schönen Ort unsere Erlebnisse „sacken
lassen“.
Mittwoch, 3. Juli
Faulenzen kann schön sein: Wir sitzen
im Schatten von einem der vielen Kirschbäume, sie hängen voller Früchte, man muss nur die Hand ausstrecken. Unsere mitgebrachten Bücher erfüllen endlich ihren Zweck: Sie werden gelesen. Ab und zu
springen wir in den Pool, erfrischen uns und schwimmen ein wenig. Sandra hat uns gestern ihren Lada 4x4 ausgeliehen und wir fahren damit ins nächste Dorf, um Geld zu holen und etwas Grillgut fürs
Abendessen einzukaufen. Unterwegs sehen wir große Flächen, auf denen abgestochener Mist zum Trocknen ausgelegt ist - damit wird dann im Winter geheizt.