Wir verabschieden uns vom stolzen Hahn
und seiner treuen Henne, die uns in den letzten Tagen Gesellschaft geleistet haben und machen uns auf den Weg nach Kappadokien. Die Landschaft wechselt von Hochebene nach Mittelgebirge. Nach Wäldern
folgen Getreidefelder, wir sehen viele Quellen am Straßenrand, die große Viehtränken speisen. Nach zweistündiger Fahrt erreichen wir unser Ziel bei Göreme. Kappadokien ist ein Landstrich, in
dem die Eruption von zwei Vulkanen Tuffgestein an die Erdoberfäche gebracht hat und hier zu den skurrilsten Formen erkaltet ist. Aber auch unter der Erde ist dieses weiche Gestein präsent und diente
der Bevölkerung zur Anlage von unterirdischen Städten. Wir sehen auf unserem Weg Garagen, die in das Gestein geschlagen wurden und vielfältigste menschliche Nutzung. Im Kerngebiet bei Göreme
verwandelt sich die bislang beschauliche Umgebung in einen touristischen Hotspot. Wir rangieren uns vorsichtig durch das Gewirr von großen Autobussen, die Touristen aus aller Welt hierher karren.
Unser Ziel, das Kaya-Camp, lässt dies aber alles hinter sich. Wir stehen auf einer Aussichtsterrasse mit Panoramablick.
Sonntag, 16. Juni
Um halb vier Uhr ist für uns die Nacht
zu Ende. Wir haben Tickets für eine Heißluftballonfahrt über die Tufflandschaft Kappadokiens gebucht. Eine halbe Stunde später fährt der Kleinbus vor, der uns zum Startplatz bringt. Mit uns im Bus
ein buntes Gemisch aus vielen Nationen. Als wir ankommen ist es immer noch dunkel, aber die Szenerie wird durch die Gasbrenner erleuchtet, die die Luft in den Ballons erhitzen. Langsam richtet sich
die Riesenhülle auf und wir können mit einer Leiter einsteigen. Noch kurze Verhaltensregeln für die Landung vom Piloten, dann steigt der Ballon unaufhaltsam nach oben. Mit uns tun das eine Vielzahl
anderer Heißluftgefährte und es ergibt sich ein kaum beschreibbares Bild. Wie große Lampionfackeln schweben wir über die noch im Morgengrauen daliegende Tufflandschaft. Die rötliche Verfärbung
am Horizont lässt bereits den Sonnenaufgang erahnen. Unser Pilot steuert den Ballon sicher über Hügelkuppen, lässt ihn in tiefe Rinnen abfallen und steuert ihn durch riesige Tuffsteinstelen. Das
alles geräuschlos, nur ab und zu vom Fauchen des Gasbrenners unterbrochen. Die Fahrt verläuft völlig ruhig, es gibt kein Schwanken oder Schaukeln. Dann setzt ein Ballon nach dem anderen zur Landung
an. Unser Pilot setzt unseren Korb sicher auf dem Anhänger des Transportwagens ab. Ein tolles Erlebnis ist zu Ende.
Um sieben Uhr sind wir wieder zurück,
frühstücken und verwenden dann unseren frühmorgendlichen Energieschub zu einer ausgedehnten Wanderung durch das vor uns liegende Tuffsteingebirge. Zunächst geht es durch eine schmale Klamm, die vom
Wasser durch den Tuff gegraben worden ist. Gelegentlich gibt es Tunnels oder auch Brücken. Der ganze Weg ist wegen der Wasserfülle an den Rändern grün bewachsen, Vogelgezwitscher und Schmetterlinge
begleiten uns auf dem Weg. Eine Bäuerin bietet am Wegesrand frisch gepressten Orangensaft an - ein Genuß für unsere mittlerweile durstige Kehlen. Wir erreichen ein kleines Dorf, das in großen Teilen
in den Tuff hineingebaut ist. Den Rest unser Rundwanderung absolvieren wir mit zusammengebissenen Zähnen: Mittlerweile steht die Sonne schon im Zenit und es gibt keinen Baum, kein Strauch, der
Schatten spendet. Wir erreichen dann endlich wieder besiedeltes Gebiet und leisten uns für die letzten zwei Kilometer ein Taxi.
Montag, 17. Juni
Heute haben wir uns eine lange Strecke vorgenommen - es geht quer durch Anatolien von Südwest nach Nordost. Dabei fahren wir lange durch das anatolische Hochland und überschreiten mehrere Pässe, die
über 2000 Meter hoch liegen, erreichen dabei Höhen, in denen noch Schnee gibt, aber immer auf gut ausgebauten, meist vierspurigen Straßen. Die Landschaft im Hochland ist wenig abwechslungsreich, aber
in den Gebirgen von großer Schönheit. Bei Einbruch der Dunkelheit erreichen wir einen Ort kurz vor Trabzon am Schwarzen Meer. Hier übernachten wir.
Dienstag, 18. Juni
Die Anstrengung von gestern hat
sichausgezahlt: Heute sind es nur noch gut zweihundert Kilometer bis zur georgischen Grenze. Wir fahren ab Trabzon immer am Schwarzen Meer entlang, das sich heute in einen leichten Dunst hüllt.
Rechts der Straße große Teeplantagen - der Großteil des türkischen Tees wird hier angebaut. Die Abfertigung an der Grenze geht schnell und unkonventionell, der Zöllner ist mehr an uns und unserer
Route interessiert, als an möglichem Schmuggelgut. Dann noch schnell die notwendige Haftpflichtversicherung besorgt und auf geht es nach Batumi. Für Georgien gibt es keine Navikarte, so sind wir auf
Verkehrsschilder und Intuition angewiesen. Schnell finden wir einen Parkplatz in unmittelbarer Strand- und Stadtnähe. Batumi ist eine große Überraschung. Zu Sowjetzeiten war die Stadt immer schon der
Badeort für die begüterten Sowjetbürger. Heute präsentiert sich die Stadt lebendig, mit modernen Gebäuden, einer kilometerlangen Strandpromenade und Kunst auf Schritt und Tritt. Nachts gibt es
dazuvielfältige Lichtinstalationen.
Mittwoch, 19. Juni
In Georgien geht die Uhr jetzt zwei
Stunden vor. Wir leben mit der Sonne, da fällt die Zeitverschiebung gar nicht so auf. Also, als wir heute um halb acht aufstehen, ist es in Münster noch halb sechs. Nach dem Frühstück machen wir uns
mit den Rädern auf den Weg, die Strandpromenade zu erkunden. Die ist mittlerweile ungefähr acht Kilometer lang und sehr gut hergerichtet. Ein breiter Fußweg und ein Radweg säumen den Strand. Die
Aufgänge werden von Kunstinstallationen geschmückt. Der Strand besteht zwar aus grobem Kieselstein, aber in regelmäßigen Abständen gibt es Duschen und Umkleidemöglichkeiten. Die Hälfte der Strecke
trennt noch eine Kiefernwaldpromenade den Strand von dem eigentlichen Innenstadtbereich. Dann folgen Hotels - alle große Ketten dieser Welt sind hier prominent vertreten. Ab und zu gibt es noch
Häuser aus der Sowjetzeit dazwischen. Die sind aber größtenteils in einem beklagenswerten Zustand. Das gleiche gilt für die Altstadt: Sehr schön restaurierte Kirchen und alte Häuser, aber auch
Gebäude an denen der Zahn der Zeit sehr heftig genagt hat.
Donnerstag, 20. Juni
Mestia liegt im Herzen des
Kaukasus.Gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung wurde hier ein Konzept des sanften Tourismus entwickelt. Die Umgebung von Mestia bietet sich für Bergwanderungen an- deshalb wurden zukünftige
Bergführer, Hotel- und Pensionsbetreiber auf ihre neuen Aufgaben geschult. Der Staat investierte in die Infrastruktur und so präsentiert sich die Kaukasusgemeinde heute als ein Anlaufpunkt für
anspruchsvolle Bergwanderer aus aller Welt. Wir fahren von Batumi hinauf in diese kolossale Bergregion. Die Strecke ist weitgehend gut befahrbar, doch bei dem schon im Reiseführer als solches
bezeichneten „SchwarzenLoch“, gerät die Fahrt zur Schlitterpartie durch schwarzen Matsch. Der einsetzende Regen tut ein Übriges. Vor einer stark ausgefahren Stelle lassen wir jedoch lieber erst
einem PKW den Vortritt. Der nimmt das Stück mit Bravour. Wir hinterher mit Schwung und schon ist es geschafft. Der Rest ist dann wieder Berg- und Talfahrt. Wir sind in Swanetien! Die Region ist
durch die Festungstürme bekannt, mit denen sich die Bergbevölkerung vor Angreifern schützte. Wir wollen morgen das Festungsdorf Ushguli besuchen. Am Abend genießen wir ein Konzert mit georgischer
Musik und georgischem Essen.
Freitag, 21. Juni
Pünktlich um neun Uhr steht er am
Marktplatz. Schako, unser Fahrer für die Tour nach Ushguli. Die Strecke ist in einem so schlechten Zustand, dass nur Allradfahrzeuge zugelassen sind. Mit Schako haben wir uns gestern telefonisch
verabredet. Und schon geht die Fahrt los, über Stock und Stein. Gelassen nimmt unser Fahrer alle Hindernisse, ob wir Furten durchqueren, schräge Schotterbetten durchfahren oder uns durch riesige
Schlammpfützen quälen müssen. Kein Problem. Nach zwei Stunden Fahrt (für vierzig Kilometer), sind wir am Ziel: Das Wehrdorf Ushguli. Hier scheint die Zeit seit hunderten von Jahren
stehengeblieben. Einzig die Elektrizität und das Auto haben den Weg hierher gefunden. Wir laufen über die schmalen ungepflasterten Dorfstraßen, fast an jedem Haus steht ein Festungsturm und die
Schweine und Kühe sind unsere Begleiter. Ein Frau bietet uns selbstgemachten Käse und Yoghurt an, dazu gibt es Heidelbeeren. Wir treffen Karina, eine junge Deutsche, die in Mestia Projekte
begleitet und den Kindern in der Schule Englischunterricht gibt. Sie erzählt von ihrer Arbeit und lädt uns zu einer Filmvorführung heute Abend ein. Wir nehmen gerne an und erfahren in dem Film am
Abend viel Neues über das Dorf Ushguli und die Menschen in Swanetien. Der Film zieht viele Besucher aus aller Welt an. Wir treffen Austalier, Slowaken, Deutsche, Russen im Kino und haben
interessante Gespräche. Ein ereignisreicher Tag.
Samstag, 22. Juni
Rechtzeitig starten wir heute früh nach
Kutaissi. Wir müssen einen Großteil der Strecke wie auf der Hinfahrt nehmen. Es gibt aber keine Probleme, das Schwarze Loch ist wieder abgetrocknet, alles paletti. In Kudaissi wollen wir zur
Bagrati-Kathedrale, doch jetzt bekommen wir unsere nicht vorhandene Navigationhilfe zu spüren. In Kutaissi ist ein Teil der Strecke wegen Bauarbeiten gesperrt, Umleitungsschilder gibt es nicht
(Hinweisschilder sind sowieso rar). Die Internetapps sind auch keine rechten Hilfen, und so dauert es dann, bis wir endlich vor diesem Nationalheiligtum stehen. Die Kathedrale wurde im elften
Jahrhundert erbaut, im siebzehnten Jahrhundert von den Osmanen zerstört und blieb bis vor über fünfzig Jahren eine Ruine. Die Restaurierungsarbeiten haben sie jetzt aber wieder in altem Glanz
wiederauferstehen lassen. Heute ist in der Kathedrale ein Priester aufgebahrt, vermutlich der Bischof. Die Bevölkerung nimmt in großer Anzahl bis in die Abendstunden
Abschied.