Der Abend gestern war noch etwas
unruhig. Neben unserem Stellplatz erstreckt sich ein Park, der von vielen Bewohnern Istanbuls als Freizeitgelände genutzt wird. Bei Temperaturen um fünfundzwanzig Grad Celsius natürlich verlockend
dort zu grillen, mit Freunden zu plaudern und das Leben zu genießen. Wie wir heute Morgen feststellen, haben einige sogar die Gelegenheit genutzt, auf ihren Decken die Nacht zu verbringen. Neben uns
steht ein Wohnmobil aus Italien, dessen Bemalung verrät, dass sein Besitzer schon die halbe Welt bereist hat. Wir plaudern etwas miteinander und er wünscht uns viel Glück für unsere Georgien-Tour.
Die Überquerung des Bosporus von Europa nach Asien über die Brücke machen wir heute eigenständig. Ade Istanbul! Unser Ziel heute ist ein Campingplatz in einem kleinen Dorf an der
Schwarzmeerküste. Der Chef begrüßt uns in perfektem Deutsch: Er hat vier Jahre in Köln an der Uni studiert. Wir stehen jetzt auf einer Terrasse über dem Meer und haben eine tolle Aussicht. Die
nächsten Tage wollen wir hier verbringen.
Pfingstmontag, 10. Juni
Wir lassen es langsam angehen über
dieses Pfingstwochenende. Den Tag verbringen wir mit Schwimmen, Lesen und Relaxen. Von unserem Stellplatz aus ist es nur wenige Meter bis zum Pool, von überall aus haben wir herrliche Panoramasicht.
Der Platz gehört zu einer Hotelanlage, die im Stil eines Westerndorfes gestaltet ist. Überall stehen kleine Holzhäuser, die für die Gäste zur Verfügung stehen. An den Wänden hängen Fotos von
Westernhelden aus Kinofilmen der Sechziger Jahre. Wir genießen die Ruhe und die Aussicht.
Dienstag, 11. Juni
Wir fahren heute am Rand des
Schwarzen Meeres entlang nach Akçakoca. Die Fahrt geht durch bewaldetes Gebirge, ab und zu wird der Blick auf das Meer frei. Die Landschaft ändert sich, jetzt bestimmen Getreide- und
Sonnenblumenfelder das Bild. Dann tauchen rechts und links von der Straße große Haselnußplantagen auf. Die Haselnuß ist das Exportgut Nummer Eins. Der größte Teil der Haselnußproduktion weltweit
stammt aus der Schwarzmeerregion. Es ist überall sehr grün hier. An den Bergen, die das Schwarze Meer hier begrenzen, regnen die Wolken relativ häufig ab. Dazu kommen Temperaturen um die
fünfundzwanzig Grad Celsius. Optimal für das Pflanzenwachstum. Wie im Münsterland, nur wärmer. Wir erreichen Akçakoca und sind baff. Eine moderne, lebhafte Stadt mit schöner
Strandpromenade, schönen Fischrestaurants um den Hafenbereich und einem vielfältigen Warenangebot in den Geschäften. Wir stehen auf dem Campingplatz „Hamburg“. Sein Besitzer hat vor dreißig
Jahren dort gearbeitet und diese Zeit nicht vergessen.
Mittwoch, 12. Juni
Das blitzte und donnerte die ganze
Nacht. Dazu das Trommeln des Regens auf dem Womodach. Wir haben schon mal besser geschlafen. Dann heute Morgen der Blick aus dem Fenster: Wir stehen mitten in einem See! Barfuß mit aufgekrempelten
Hosenbeinen geht es zum Duschen - als wir zurückkommen ist der See schon etwas kleiner, das Wasser ist versickert. Doch uns beschleicht die Sorge, dass wir uns festfahren. Aber, oh Wunder, unser
Ducato zieht seine Bahn über den durchfeuchteten Rasen und schon stehen wir wieder auf festem Grund. Jetzt steht der Fahrt nach Safranbolu landeinwärts nichts mehr im Weg. Ausgezeichnet mit dem
Weltkulturerbesiegel, versetzt uns der Ort vierhundert Jahre zurück in die Osmanische Zeit. In keinem Ort in der Türkei findet man diesen traditionellen Stil so unverwässert erhalten. Wir spazieren
durch die holprigen Gassen und nutzen das Angebot eines jungen Guide, uns mit dem Elektromobil die Stadt zu zeigen. Er studiert an der TU in Ankara Archtektur und würde gern auch mal eine deutsche
Universität von innen sehen. In einem Kaffeehaus genießen wir türkischen Tee und Kaffee mit einem Stück Kuchen. Unser Kalorienbedarf ist damit für heute befriedigt.
Donnerstag, 13. Juni
Bevor wir weiterfahren, müssen wir noch
unseren Haushalt richten: Wasser tanken, Toilette entleeren (muss sein), etwas Wäsche waschen, spülen und staubsaugen... was man im Haushalt so macht. Von unseren Nachbarn, einem französischen
Ehepaar, verabschieden wir uns herzlich. Sie wollen auch nach Georgien und waren im Frühjahr ebenfalls in Marokko. Klein ist die Welt. Jetzt geht es aber los nach Zentralanatolien, wir wollen die
ehemalige Hauptstadt der Hethiter besuchen, das legendäre Hattusa. Der Weg führt uns über die anatolische Hochebene. Riesige Getreide- und Reisfelder erstrecken sich entlang der Straße. Nur ab und zu
taucht eine kleine Ansiedlung auf. Im Dorf Boğazkale, in der Nähe der Ausgrabung, nehmen wir Quartier im Apfelgarten eines Hotels. Sehr idyllisch.
Freitag, 14. Juni
Das Reich der Hethiter existierte vom
neunzehnten Jahrhundert vor Christus ungefähr fünfhundert Jahre lang. Es ging sang- und klanglos unter - warum vermag kein Historiker zu sagen. Wir besuchen heute in der Frühe Hattusa, die ehemalige
Hauptstadt dieser Hochkultur, die den gesamten Raum der heutigen Türkei beherrschte. Am Berg gebaut, überblickt man von hier einen weiten Raum der anatolische Hochebene. Im Eingangsbereich steht ein
Modell dieser großflächigen antiken Metropole, die der deutsche Archäologe Kurt Bittel in den dreißiger und fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts ausgegraben hat. Es ist ein riesiges Gelände, das
von einer zehn Kilometer langen Stadtmauer eingefasst wurde. Das gesamte Terrain ist durch eine Straße erschlossen, die auch wir mit dem Wohnmobil befahren dürfen. Erste Station ist in der Unterstadt
bei den Grundmauern des ersten großen Tempels. Von hier hat man schon einen weiten Blick ins Land und auf ein Stück rekonstruierter Stadtmauer. Es geht weiter zum Löwentor, wo uns nicht nur die
antiken Torwächter erwarten, sondern auch eine Ziegenherde, die sich intensiv dem Womo widmet. Eigentlich sollen sie ja nur das Gras im Gelände kurz halten. Ein kurzer Pfiff des Hirten und schon
macht sich die Truppe wieder an die Arbeit. Ein hundert Meter langer Tunnel verbindet am nächsten Haltepunkt Innenstadt und Außenbereich. Dort wachen zwei Sphinx-Figuren über die Sicherheit der
Anwohner. So geht es den ganzen Vormittag weiter. Immer wieder werden wir von der Vielfältigkeit dieser viertausend Jahre alten Hochkultur überrascht. Den Nachmittag verbringen wir in Ruhe auf
unserem Platz am Hotel.